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Der Gleitschirm

Was gibt es Schöneres als ein Stoffpäckchen aus dem Rucksack zu holen und einfach davon zu schweben?

Die gesamte Flugausrüstung für das Gleitschirm-Fliegen passt in einen großen Rucksack. Sie wiegt zwischen 15 und 20 kg. Bergsteigerausrüstungen gibt es schon ab ca. 8 kg. Gestartet wird an hindernisfreien Berghängen oder mit Hilfe einer Seilwinde in flachem Gelände. Während des Fluges sitzt der Pilot bequem in einem Sitzgurt. Gesteuert wird der Gleitschirm mit den Händen über zwei Steuerleinen. Zieht der Pilot beispielsweise an der rechten Steuerleine fliegt der Gleitschirm nach rechts. Ein moderner Gleitschirm kann bei einem Höhenverlust von 1.000 Metern 8 Kilometer weit fliegen. Mit Hilfe von Aufwinden sind stundenlange Flüge und für fortgeschrittene Piloten Streckenflüge bis über 100 km keine Seltenheit.

Auszug aus der Patentschrift von Francis Melvin Rogallo 1948 / 1951
Rogallo arbeitete als junger Ingenieur innerhalb der NACA-Windkanäle (Vorläufer der NASA) an der Optimierung von Fallschirmen. Mit der Idee der gänzlich flexiblen Tragfläche, die - im Gegensatz zum Fallschirm – auch gleiten kann bereitete er den Weg zur Entwicklung des heutigen Drachen- und Gleitschirmfliegens.
Rogallo-Gleitschirm an der Küste von Kitty Hawk (USA) 1964
Aus seinem Rückführungssystem für Raketenstufen hatte Rogallo seinen Kindern einen Gleitschirm konstruiert. Ähnliche Schirme waren auch von den „Golden Knights“, einer amerikanischen Fallschirmspringergruppe, erprobt worden. Steve Snyder hatte die Schirme zuvor für die Firmen Pioneer und Irvin sprungtauglich gemacht.

 
Gleitschirm von David Barish (USA) im NASA-Windkanal 1965
Diese Schirme standen bei der NASA für kurze Zeit in Konkurrenz zu Rogallos Konstruktionen. Die NASA suchte nach einer Fläche zum Transportieren schwerer Lasten. Rogallo, der für die NASA arbeitete, sah in Barishs Schirmen eine Patentverletzung. Nachdem die NASA ohnehin Rogallos Ansprüche angemessen abgegolten hatte verzichtete er auf weitere Schritte. Die NASA bleib bei Rogallos Konstruktionen.
Domina Jalbert in seiner Werkstatt 1989
Jalbert hatte den „Amerikanischen Traum“ gelebt. Aus Kanada mittellos eingewandert hatte er sich vom „Tellerwäscher“ zum Unternehmer hochgearbeitet. Sein Geschäft waren große, fliegende Werbeflächen. Der „Parafoil“ war aus der Not entstanden, bei starkem Wind eine stabile Werbefläche zum Fliegen zu bringen.
Jalberts Patentzeichnung des „Parafoil“ 1964 / 1966
Basierend auf Rogallos Patent, das 1964 von der NASA abgegolten und freigegeben worden war, konstruierte Jalbert seinen Parafoil. Dieser „Matratzenschirm“, der durch Steve Snyder (US-Fallschirmspringer) sprungtauglich gemacht wurde, verdrängte innerhalb nur eines Jahres (1969) die Rundkappe aus den Reihen der Springereliten.
Randonneuse von Laurent de Kalbermatten (Schweiz) 1987
Ein Drachenkonstrukteur hatte aus der Idee des Matratzen-Fallschirms eine wirkliche Flugmaschine konstruiert. Die Leistungssteigerung zum Gleitfallschirm war so enorm, dass endlich auch flache Mittelgebirgshänge beflogen werden konnten. Der Siegeszug des Gleitschirmfliegens war nicht mehr aufzuhalten.

Geschichte des Gleitschirmfliegens

Als "Erfinder des Gleitschirms" gilt der frühere NASA-Ingenieur und Wissenschaftler Francis Melvin Rogallo (geb. 27. Januar 1912). In seinem Patent von 1948 beschreibt er bereits die Technik, wie aus Stoff und Schnüren ein Gleitschirm konstruiert werden kann. Zusammen mit seiner Frau Gertrude entwickelte er in den fünfziger Jahren die ersten Gleitschirme als dreieckige Tragflächen, aus denen zunächst Kinderdrachen, später sogar manntragende Konstruktionen entstanden. Das Patent beschreibt auch schon die Form der heutigen Gleitschirme mit "vorne offenen Stoffröhren, die parallel nebeneinander angeordnet und durch den Fahrtwind aufgeblasen eine Tragfläche bilden". Allerdings sind von ihm keine solchen Konstruktionen bekannt geworden. Rogallos Dreiecksflächen wurden dagegen weltberühmt und bildeten die Grundlagen nicht nur für Gleitschirme, sondern vor allem für die Hängegleiter, die zunächst die Gleitschirme an Popularität deutlich überflügelten (siehe auch "Geschichte des Drachenfliegens").

Anfang der Sechziger testeten Rogallo und seine Kinder zwar noch einige seiner bemannten Gleitschirme in den Dünen von Kitty Hawk, aber vom Beginn einer Bewegung konnte keine Rede sein. Daher sieht sich Francis Rogallo weder als der Erfinder des Drachenfliegens, noch als der Erfinder des Gleitschirmfliegens. Er ist jedoch sehr stolz darauf, der erste Mensch zu sein, dem es gelang, eine gänzlich flexible Tragfläche zu bauen, wie sie nicht einmal in der Natur zu finden ist.

Der Amerikaner David Barish und der aus Kanada in die USA eingewanderte Domina Jalbert dürfen als die eigentlichen "Väter des Gleitschirmfliegens" angesehen werden.

Beide kannten Rogallos Ideen und Patente, denn dessen Gleitschirm- und Drachenkonstruktionen waren seit den fünfziger Jahren in vielen Zeitungsartikeln und wissenschaftlichen Publikationen der amerikanischen Weltraumbehörde NASA veröffentlicht worden.

Barish hatte bereits 1964 im Rahmen neuer Fallschirmentwicklungen für die Raumfahrt, mit denen er kurzzeitig in Konkurrenz zu Rogallos Flügeln stand, einen dreikieligen, rechteckigen Gleitschirm konstruiert, aus dem er gezielt eine 5-kielige Form entwickelte, um damit Gleitflüge nach Fußstarts vom Berg durchzuführen.

Obwohl in der Grundform sehr ähnlich, hatten Rogallo und Barish unabhängig voneinander fast gleichzeitig ein Sportgerät entwickelt und erprobt. Allerdings gebührt Barish das Verdienst, seine Fluggeräte nicht nur entwickelt, sondern auch ausgiebig selbst geflogen zu haben. Bereits 1966, ein Jahr vor dem Bergflug-Debüt von Jalberts "Parafoil" durch den Engländer Walter Neumark, propagierte David Barish mit seinem Sohn mittels öffentlicher Vorführungen in Skigebieten sein "Slope Soaring" als neue Sportart und Touristenattraktion, die u. a. Skiliften zu einem Sommergeschäft verhelfen könnte.

Allerdings blieb das Echo sehr verhalten. Die Zeit schien noch nicht reif für eine solche Erfindung oder gar Bewegung.  Erst in den siebziger Jahren, nach mehreren Veröffentlichungen von Dan Poynter, einem amerikanischen Piloten und Journalisten, drang "Slope Soaring" (Gleitsegeln) in das Bewusstsein einer etwas größeren Öffentlichkeit.

Für viele ist David Barish daher der erste wirkliche Gleitschirmflieger im Sinne unseres Sports.

Erfolgreicher als Rogallos und Barishs Schirme wurde nur wenig später der ebenfalls auf einem Patent von Rogallo beruhende "Matratzenschirm" von Domina Jalbert. Dabei hatte Jalbert zunächst überhaupt nicht an die Verwendung als Gleitschirm gedacht. Sein Geschäft waren große Werbeflächen auf Ballonen, Luftschiffen und, bei stärkerem Wind, schnurgefesselten Drachen.

Es war die unermüdliche Suche des amerikanischen Fallschirmspringers Steve Snyder nach besseren Fallschirmen, die ihn von dreieckigen Rogallo-Schirmen (der Firmen Irvin und Pioneer) zu Jalbert brachte.

Snyder ist es zu verdanken, dass aus einer Werbefläche ein Sportgerät wurde, das innerhalb nur eines Jahres (1970) den Rundkappenschirm aus den Reihen der Springerelite verdrängte und dem Flächenschirm zum Siegeszug um die ganze Erde verhalf.

Aber immer noch war keine Gleitschirmflieger - Bewegung entstanden. Barish hatte die Idee vorgegeben - ohne nachhaltigen Erfolg. Jalberts Parafoil hätte die leistungsfähigere Fläche werden können, doch die Fallschirmspringer dachten gar nicht daran, von einem Berg zu fliegen. Wozu auch. Das Drachenfliegen hatte schon längst seinen Siegeszug begonnen. Und wenn sich doch einmal ein Fallschirmspringer von einem Berg wagte (wie z. B. Heinz Fischer oder Hartmut Huber vom Tegelberg) gab es nur Hohngelächter der Drachenflieger wegen der miserablen Gleitleistung im Vergleich zum Hängegleiter.

Es wäre zu umfangreich, hier alle Entwicklungen und Personen zu nennen, die sich in der Folgezeit mit der Gleitschirmentwicklung befassten. Am bekanntesten dürften wohl die in der Schweiz lebenden deutschen Brüder Strasilla sein, die zusammen mit Andrea Kuhn (Schweiz) aus Schleppschirmen ein eigenes Gleitschirm-Patent entwickelten (Skywing). In Deutschland ist es Dr. Fritz Dolezalek, Freunde nennen ihn Daniel Düsentrieb, der die meisten Patente auf Gleitschirmkonstruktionen erhielt und viele Jahre auch sein eigener Testpilot war.

Erst 1978 kommt deutlich mehr Bewegung in den Gleitschirmsport. Die französischen Fallschirmspringer Jean Claude Béttemps und Gérard Bosson wollen sich für ihre Ziellandeübungen die hohen Ausgaben für das Flugzeug sparen und starten von einem steilen Berg. Schnell findet dieser Spaß Nachahmer in ihrem Club, und die ersten Flugschüler stehen vor der Tür. Formlos wird das Gleitschirmfliegen vom französischen Hängegleiterverband aufgenommen und wie Drachenfliegen behandelt.

In Mieussy, nahe der schweizerischen Grenze, entsteht in kurzer Zeit ein Gleitschirm-Zentrum mit Flugschule und Infrastruktur. Auch die Schweiz wird infiziert von dem neuen Virus. Selbst langjährige Drachenflieger finden Gefallen an dem neuen Sport. Laurent de Kalbermatten, Drachenflieger und Konstrukteur aus der Schweiz, konstruiert seine legendäre "Randonneuse" mit fast doppelter Gleitleistung als die bisherigen Flächen-Fallschirme. Jetzt können auch flachere Hänge beflogen werden. Der Siegeszug des Gleitschirmfliegens ist nicht mehr aufzuhalten.

In Deutschland wird 1987 das Gleitschirmfliegen offiziell vom Bundesverkehrsminister anerkannt und in die Obhut des Deutschen Hängegleiterverbandes (DHV) gegeben.

Heutige Gleitschirme sind elliptische Tragflächen von 20 bis 30 qm, deren Kammern im Flug durch Staudruckluft gefüllt und versteift werden. Verbunden ist der Pilot mit dem Gleitsegel durch die von der Segelunterseite herablaufenden Fangleinen und das Gurtzeug.

Der Gleitschirm wird durch eine rechte und linke Steuerleine, die den Gleitschirm einseitig abbremsen, gesteuert. Gleichzeitige Betätigung beider Steuerleinen vermindert die Fluggeschwindigkeit. Die Gleitleistung moderner Gleitsegel liegt bei ca. 1: 8, die Höchstgeschwindigkeit bei 55 km/h. Die normale Fluggeschwindigkeit beträgt 37 km/h. Ebenso wie beim Drachen sind stundenlange Thermikflüge und  Streckenflüge von über 100 km an der Tagesordnung. Der Rekord liegt bei 423 km durch den Kanadier William Gadd, in Zapata, Texas im Jahr 2002.

Wer kann fliegen?

Das Gleitschirmfliegen ist sehr einfach zu erlernen und gehört zu den sichersten Luftsportarten. Gefährlich wird der Sport erst dann, wenn Sicherheitsregeln missachtet werden. Die einzigartige Freiheit des Gleitschirmfliegens erfordert daher viel Selbstdisziplin. Gleitschirmpiloten benötigen kein fliegerärztliches Tauglichkeitszeugnis oder besondere körperlichen Voraussetzungen. Für das selbständige Fliegen ohne Fluglehreraufsicht ist der Luftfahrerschein – wie der Führerschein beim Autofahren – notwendig.

Besonders viel Mut ist für das Gleitschirmfliegen nicht notwendig. Die Gleitschirmausbildung beginnt im Flachen mit Startübungen. Erst danach tasten sich die Flugschüler an das eigentliche Fliegen ran. An den ersten Tagen werden am Übungshang kurze Flüge mit geringem Bodenabstand gemacht, bis du selbst darauf drängst zu deinem ersten richtigen Höhenflug mit Fluglehrerbegleitung zu starten.
Jugendliche können ab 14 Jahren mit der Ausbildung beginnen und mit 16 die Prüfung für den Luftfahrerschein zum selbständigen Fliegen ablegen. Nach oben gibt es keinerlei Altersbeschränkungen.

Wenn du dir nicht sicher bist, ob du sportlich genug für das Gleitschirmfliegen bist, empfehlen wir dir einen Schnuppertag. Du wirst schnell feststellen wie einfach es ist einen Gleitschirm zu starten und aus eigener Kraft erste kleine Flüge zu machen.